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Montessori-Schule - Eine Alternative für dein Kind?
Mittlerweile wird in Deutschland an über 1.000 Schulen und Kinderhäusern die Montessori-Pädagogik praktiziert. Freies Lernen anstatt fester Schulstunden und Frontalunterricht zeichnet diese Schulform aus. Aber ist sie auch das Richtige für dein Kind?
In der Bundesrepublik Deutschland hat jedes Kind ab dem Alter von 6 Jahren Anspruch auf einen Grundschulplatz. Tatsächlich besteht bekanntermaßen sogar eine entsprechende Schulpflicht. Jede öffentliche Grundschule hat ein Einzugsgebiet, mit dem das Anrecht auf einen Schulplatz der dazugehörigen, im Gebiet wohnhaften Kinder sichergestellt wird. Allerdings existieren auch Alternativen zu staatlichen Grundschulen. Eine davon ist die sogenannte Montessori Schule. Aber was zeichnet diese Schulform überhaupt aus? Und wie kannst du entscheiden, ob sie das Richtige für dein Kind ist?
Die Montessori-Schule geht zurück auf das Konzept der Montessori-Pädagogik. Im frühen 20. Jahrhundert widmete sich die Italienerin Maria Montessori der Frage einer optimalen Pädagogik der frühen Kindheit und Jugend. Als promovierte Medizinerin arbeitete sie in einem Krankenhaus mit entwicklungsverzögerten Kindern. Im Zuge dieser Tätigkeit kristallisierte sich für sie nach und nach heraus, dass die Entwicklungsauffälligkeiten bei ihren kleinen Patienten und Patientinnen keineswegs auf eine angeborene Behinderung zurückzuführen waren, sondern auf eine ausgebliebene oder unzureichende Förderung.
Nach und nach tastete sich Maria Montessori an unterschiedliche Fördermaßnahmen heran und kam letztlich zu der Erkenntnis, dass insbesondere Spielzeug mit hohem taktilen Mehrwert großen Anreiz bei den zu behandelnden Kindern hatte. Gleichsam nahm sie wahr, dass freies Agieren und Spielen der Stimmung und Entwicklung der Kinder bemerkenswert zuträglich waren. Aus weiteren Beobachtungen leitete sie letztlich das Kernprinzip der Montessori-Pädagogik ab, das bis heute Gültigkeit hat und Leitprinzip jeder Montessori-Schule ist: "Hilfe bei der Selbsthilfe leisten". Montessoris Erkenntnisse gipfelten in ihrem 1909 erschienenen Werk "Selbsttätige Erziehung im frühen Kindesalter".
Inwiefern die Grundsätze der Montessori-Pädagogik sich im Schulalltag einer Montessori-Schule wiederfinden, macht sich schon bei der Gestaltung der Klassenräume bemerkbar.
Unser fiktiver, 7 Jahre alter Beispielschüler - nennen wir ihn Linus - wird irgendwann zwischen 07.00 und 08.30 Uhr in die Schule gebracht. Dort findet er sich in seinem Klassenraum ein und beginnt den Tag mit Freiarbeit oder Spielen. Alle Kinder kommen nach und nach an, beschäftigen sich mit frei verfügbaren Spielzeugen oder frühstücken gemeinsam. Auffällig und zugleich exemplarisch an Linus Klasse ist, dass sie sich aus SchülerInnen unterschiedlicher Altersklassen zusammensetzt. Im Grund sind alle Altersstufen vertreten, die in einer Regelschule die Klassenstufen 1 bis 4 abdecken würden.
Gegen 08.30 Uhr ruft die Klassenlehrerin dann zum gemeinsamen Morgenkreis auf. Es ist ein täglich wiederkehrendes Ritual, dessen immer gleicher Ablauf den Kindern Sicherheit gibt. Man begrüßt einander, bespricht mögliche Besonderheiten in kommenden Tagesablauf, singt Lieder oder erzählt sich Erlebnisse der Vortage. Der Morgenkreis endet nach etwa 30 Minuten.
Nach dem Morgenkreis begeben sich die Kinder der Montessori Schule dann in erneute Freiarbeit. Frontalunterricht, wie er in Regelschulen nach wie überwiegende Methode der Wissensvermittlung ist, ist in einer Montessori-Schule nicht zu finden. Gemäß dem erwähnten Leitprinzip beschäftigen sich die Kinder selbstständig mit Lehr- und Lernmaterial. Dies spiegelt sich im Aufbau und der Gestaltung des Klassenraums wider. Es gibt keine geordneten Tischreihen, sondern mehrere kleine Sitzgruppen. Die Wände sind in sanften Farben gehalten und reichlich geschmückt. Raumtrennende Elemente schaffen Rückzugsorte und Privatsphäre, meist gibt es auch Lese- und Kuschelecken. In Holzregalen sind Lernmaterial und Spielzeuge auf freundliche und einladende Art präsentiert und können frei von den Kindern ausgesucht werden.
Linus hat heute Lust auf Rechnen und erinnert sich auch an das letzte halbjährliche, motivierende Zeugnisgespräch, dass er in Begleitung seiner Eltern mit seiner Lehrerin geführt hat. Noten gibt es an seiner Montessori-Schule nicht. Stattdessen hatte seine Lehrerin ihm erklärt, dass er ein kreatives, wortgewandtes Kind sei aber es im Bereich der Zahlen sicherlich noch viele spannende Dinge für ihn zu erkunden gebe.
Linus ist neugierig geworden und möchte mehr erfahren. Er schaut die unterschiedlichen Rechenmaterialien durch und sortiert aus, was ihn nicht anspricht oder was auf die älteren, fortgeschritteneren Kinder in seiner Klasse zugeschnitten ist. Mit einem Arbeitsheft zieht er sich letztlich in eine ruhige Ecke zurück und bearbeitet die Aufgaben. Zwei seiner Freunde schließen sich an. Die anderen beschäftigen sich mit anderen Dingen. Bei Fragen bittet Linus seine Lehrerin herbei, die ihn gern unterstützt.
Gegen 10.00 Uhr setzen sich Lehrerin und Schüler zu einer gemeinsamen Pause zusammen. Arbeitsteilig werden Obst und Gemüse geschnitten, Brote zubereitet und abschließend auch sauber gemacht.
Auf die gemeinsame Pause folgt eine Zeit für freies Spielen oder ein Aufenthalt im Schulgarten und dem Schulhof. Auch hier beschäftigen sich die Kinder mit frei mit dem bereitstehenden Spielmaterial, die Lehrerin leitet nur bei Bedarf an. Der Schultag endet letztlich für alle gegen 13.00 Uhr.
An Linus beispielhaftem Tagesablauf wird deutlich, was die Montessori-Pädagogik vorgibt und damit vom traditionellen Grundschulleben unterscheidet. Kinder auf einer Montessori-Schule erarbeiten sich ihre Lerninhalte selbst. In der Montessori-Pädagogik ist man davon überzeugt, dass alle Kinder in ihrem eigenen Tempo am besten lernen und insbesondere durch das aktive Erleben und Handeln Inhalte erlernen, verarbeiten und behalten. Regelschulen unterscheiden hier bekanntermaßen nur marginal - feste Stundenpläne gelten für den gesamten Klassenverband. Tempo und Inhalte gibt in der Regel die Lehrkraft vor und bei Bedarf wird nach Möglichkeit individuell nachgefördert.
In der Montessori-Schule sollen gezielt Situationen geschaffen werden, in denen Kinder sich aus Eigenmotivation in tiefe Konzentrationsphasen begeben. Man möchte nutzen, was auch du bei deinem eigenen Kind schon einmal beobachtet hast - Kinder können sich häufig in etwas, dass sie fasziniert, hineinsteigern und die Welt um sie herum komplett ausblenden. Die Montessori-Pädagogik ist davon überzeugt, dass diese Phasen besonders fruchtbar für nachhaltiges Lernen sind.
Durch den Fokus auf hohe, selbst oder nur durch leichtes Zuarbeiten induzierte Konzentration in der Montessori-Schule ist es vorteilhaft, wenn dein Kind keine Probleme mit genereller Unkonzentriertheit hat. Ganz grundlegend ist die Montessori-Schule für alle Kinder geeignet. Sie kann deinem Kind auch eine besonders gute Betreuung bieten, wenn es mit dem vergleichbar höheren Lerndruck in Regelschulen bereits negative Erfahrungen gemacht hat.
Jede Montessori-Schule vertritt unterschiedlich stark ihre pädagogischen Leitwerte und fordert diese auch von den Eltern ein - frag dich selbst, ob du mit den Grundsätzen der Montessori-Pädagogik einverstanden bist und sie auch abseits der Schule tragen und deinem Kind vermitteln kannst und möchtest. Auch wird in einer Montessori-Schule meist ein hohes Engagement der Eltern eingefordert.
Zu bedenken ist auch der möglicherweise notwendige Wechsel auf eine weiterführende Schule nach Abschluss der vierten Klasse oder zu einem späteren Zeitpunkt. Denn nicht immer ist eine weiterführende Montessori-Schule in der Nähe des Wohnorts. Viele Montessori-Schulen bieten außerdem nur eine Mittelstufe und keine Oberstufe. Zwar orientieren sich Montessori-Schulen am staatlichen Lehrplan der jeweiligen Schulstufe, dennoch haben die Kinder bei einem Wechsel von der Montessori-Schule auf eine Regelschule häufig so einiges nachzuholen und aufzuarbeiten.
Hinzu kommt der bislang ungewohnte Lerndruck. Diesem kann bei einem Schulwechsel nicht mehr ausgewichen werden und das Kind wird mit der Realität der Regelschulen konfrontiert. Aber auch wenn es in Richtung eines des Schulabschlusses geht, bleibt das Pauken nach Plan selbst den Montessori Schülern nicht erspart: Da Montessori Schulen keine Abschlusszeugnisse ausstellen dürfen, müssen die Schüler ihre Abschlussprüfungen (egal ob Hauptschulabschluss, Mittlere Reife oder Abitur) als externe Prüflinge an einer staatlichen Schule absolvieren.
Wie leicht oder schwer diese Umstellung einem Kind fällt, ist ganz individuell. Als Eltern seid ihr nun gefragt, euer Kind richtig einzuschätzen.